Leere Teller


Editorial des KVV Medien & Bildung Sommersemester 2001
Wer die Speisekarte mit dem Essen verwechselt, so heißt es, der bekäme Bauchschmerzen. Magrittes Pfeife, die das Titelblatt des ersten KVV ‚Medien & Bildung‘ zierte, war so eine Art Speisekarte. ‚Ceci n’est pas une pipe‘ schrieb Magritte darunter – Achtung, dies ist nur die Speisekarte! Nicht essen, nicht für-wahr-nehmen, sonst bekommst Du Bauchschmerzen.
War das ein Hinweis darauf, dass ‚im Sinne Platons‘ die ‚rhetorische Spreu‘ sorgsam vom ’substanziellen Weizen‘ zu trennen sei? Dass Malerei, Bildnerei nur Blendwerk sei?
Magritte ist nicht Platon. Maler leben vom Blendwerk.
Der doppelte Boden in Magrittes Pfeife besteht darin, dass er explizit hinzufügen mußte (oder wollte), dass dies keine Pfeife sei. Sonst hätten wir es gar nicht bemerkt, sonst hätten wir sie bedenkenlos für eine Pfeife gehalten, sie als Pfeife wahr genommen (und die Speisekarte gegessen).
Und nun: Ein leerer Teller.
Das Essen fehlt. (Wie die Pfeife.) Keine ‚Substanz‘, kein ‚Weizen‘. Nur ‚rhetorische Spreu’…
Luhmann schlug vor, die Unterscheidung ‚Substanz/Akzident‘ oder ‚Ding/Eigenschaft‘ durch die Unterscheidung ‚Medium/Form‘ zu ersetzen, um damit zu einer anderen Ausgangsdifferenz zu kommen, als es die dingontologische Konzeption erlaubte.
»Von der Systemtheorie aus«, bemerkt er dazu, »daß Medien und Formen jeweils von Systemen aus konstruiert werden. … Es gibt sie nicht ‚an sich‘. … Es gibt keine entsprechende Differenz in der Umwelt.«
Ist dann also alles ‚keine Pfeife‘, alles nur Speisekarte?
Es braucht Leinwände, um zu malen, Teller, um zu essen.
Und Medien, um zu bilden.
Schluß mit der Metaphorik (und der ‚rhetorischen Spreu‘): Guten Appetit!
Torsten Meyer

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