Pfeife, Medien, Bildung… ?
Editorial des KVV Medien & Bildung Wintersemester 2000/2001
„… Die berühmte Pfeife…? Man hat sie mir zur Genüge vorgehalten! Und trotzdem… können Sie sie stopfen, meine Pfeife? Nein, nicht wahr, sie ist nur eine Darstellung. Hätte ich unter mein Bild ‚Dies ist eine Pfeife‘ geschrieben, hätte ich gelogen! …“ ((Magritte, René: Dies ist kein Buch. Polemik und Malerei, Hamburg: Edition Nautilus, 2. Aufl. 1995, 5))
Was die Magritte’sche Pfeife mit „Medien & Bildung“ zu tun hat, verdeutlicht Michel Foucault, indem er eine – wie man vielleicht sagen könnte – „medienpädagogische“ Unterrichtseinheit erfindet, die hier zum Vergnügen der geneigten Fachschaft zitiert sei:
»Alles ist fest gefügt in diesem Schulraum: eine Tafel „zeigt“ eine Zeichnung, welche die Form einer Pfeife „zeigt“; und ein von einem beflissenen Lehrer geschriebenen Text „zeigt“, daß es sich eben um eine Pfeife handelt. Der Zeigefinger des Lehrers, wiewohl man ihn nicht sieht, herrscht überall, ebenso wie seine Stimme, die gerade dabei ist, ganz deutlich zu artikulieren: „Dies ist eine Pfeife.“ Von der Tafel zum Bild, vom Bild zum Text, vom Text zur Stimme führt, zeigt, fixiert, markiert, diktiert ein allgemeiner Zeigefinger ein System von Verwei- sungen und versucht, einen einzigen Raum zu stabilisieren. Aber warum habe ich noch die Stimme des Lehrers eingeführt? Sie wollte gerade sagen „Dies ist eine Pfeife“ als sie noch einmal ansetzen mußte und stotterte: „Dies ist keine Pfeife, sondern die Zeichnung einer Pfeife – dies ist keine Pfeife, sondern ein Satz, der sagt, daß das eine Pfeife ist – der Satz „Dies ist keine Pfeife“ ist keine Pfeife – im Satz „Dies ist keine Pfeife“ ist dies keine Pfeife: diese Tafel, dieser geschriebene Satz, diese Zeichnung einer Pfeife, all dies ist keine Pfeife.“ Die Negationen häufen sich, die Stimme wird unsicher und erstickt beinahe; der verwirrte Lehrer senkt den ausgestreckten Zeigefinger, kehrt seinen Rücken der Tafel zu, schaut auf die Schüler, die sich vor Lachen biegen, und merkt nicht, daß sie so lachen, weil über der Tafel und über dem seine Verneinungen stammelnden Lehrer ein Rauch aufgestiegen ist, der allmählich Gestalt annimmt und jetzt ganz genau und zweifelsfrei eine Pfeife nachzeichnet. „Das ist eine Pfeife, das ist eine Pfeife!“ schreien die Schüler, die mit den Füßen stampfen, während der Lehrer immer leiser, aber immer noch mit derselben Hartnäckigkeit, und ohne daß noch jemand zuhört, murmelt: „Und dennoch ist dies keine Pfeife!“ Er hat nicht unrecht: denn diese Pfeife, die so sichtbar über der Szene schwebt, als wäre sie die Sache, auf die sich die Tafelzeichnung bezieht und in deren Namen der Text zurecht sagen kann, daß die Zeichnung nicht wirklich eine Pfeife ist, auch diese Zeichnung ist nur eine Zeichnung und keineswegs eine Pfeife. Weder auf der Schultafel noch darüber finden die Zeichnung der Pfeife und der Text, der sie nennen soll, einen Ort, an dem sie sich begegnen und aneinander festhalten können, wie es einst der Kalligraph ermöglicht hat.« ((Foucault, Michel: Dies ist keine Pfeife, München / Wien: Hanser 1997, 22f))