Think free…
Editorial des Programmheftes für die Workshops des Medienzentrums im Wintersemester 2016/2017 (.pdf):
Freies Netz, freies Wissen, freies WLAN, Freie Software… ist das Internet ein großer Selbstbedienungsladen? Wir hören Musik, schauen Filme und Serien, laden Bilder herunter, kontaktieren Freunde, Kollegen und Familie mit Hilfe unterschiedlicher Messaging-Dienste, checken das Wetter oder die Bewertungen des unbekannten Burger-Ladens mit allerlei Apps, lesen die Wikipedia, um schnell mal die wichtigsten Fakten zum Lebenszyklus der Fruchtfliege herauszufinden, kopieren Filme, Arbeitsblätter, Unterrichtsmaterialien etc. – in der Regel ohne dafür zu zahlen. Zahlreiche Angebote und Inhalte stehen uns kostenlos zur Verfügung, etwa unter freien Lizenzen, die eine Weiternutzung und häufig sogar auch das Bearbeiten ausdrücklich erlauben. Aber das ist längst nicht immer der Fall. Trotzdem greifen wir zu – der Selbstbedienungsladen Internet hat an 24 Stunden geöffnet, an sieben Tagen die Woche.
Hand aufs Herz: Wie häufig machen wir uns im Alltag Gedanken darüber, woher die kostenlosen Inhalte kommen? Mehr noch: Sind sie wirklich kostenlos?
Bietet das Internet eine Gratiskultur, in der wir einfach so nehmen können, was wir wollen? Nein. In der Regel bezahlen wir die Nutzung von Apps und Dienstleistungen mit Selbstauskünften. Mit Daten und Informationen, die einen tiefen Einblick in unsere persönlichen Interessen, Nutzungsgewohnheiten, Konsumvorlieben, Beziehungen, Bewegungsprofile etc. geben.
Der Umgang mit den vermeintlich kostenlosen Angeboten verlangt eine individuelle Entscheidung von uns, diese findet in der Regel unbewusst statt – ist ja nur ein Klick und die Nutzungsbedingungen sind akzeptiert! Für Pädagog*innen stellt sich die Frage aber ungleich dringlicher: Wie verhält es sich mit Lehr- und Lernmaterialien, die im Rahmen von Seminaren, Workshops oder im Unterricht verwendet werden? Hier nutzen wir Materialien von Verlagen, die in der Regel kostenpflichtig sind und vor allem nur sehr eingeschränkt verwendet und bearbeitet werden dürfen. Oder wir nutzen irgendwelche Materialien im Netz, die wir halt so finden – ohne so ganz genau zu wissen, wie es eigentlich um die Urheberrechte überhaupt so steht (wird schon keiner merken…).
»›Free software‹ is a matter of liberty, not price. To understand the concept, you should think of ›free‹ as in ›free speech‹, not as in ›free beer‹.« – Richard Stallman
Richard Stallman, einer der Urväter der Freie-Software-Bewegung, weist uns mit seinem berühmt gewordenen Zitat auf einen Unterschied hin, der einen Unterschied macht: im Englischen wird »free« einerseits in ökonomischen Kontexten (»How much is it?« – »It’s free!«) verwendet und kann mit »kostenfrei« oder »gratis« übersetzt werden. Nach Stallman ist Software folglich gratis, wenn sie kostenlos zugänglich und nutzbar ist (»free as in free beer«). Seine Vorstellung der Bedeutung des Wortes reicht aber deutlich weiter und weist über die ökonomische Dimension hinaus. Stallman hat nicht (nur) den kostenlosen Zugang zu Software im Sinn, sondern vor allem die Möglichkeit ihrer Weitergabe, Modifikation oder Weiterentwicklung. Solche Software ist ihrem Grundgedanken nach frei (»free as in free speech«).
Wir möchten dazu anregen, Stallmans Unterscheidung ernst zu nehmen und den Selbstbedienungsladen Internet und unsere Nutzung desselben genauer zu hinterfragen. Das gilt umso mehr, wenn wir schulische Kontexte in unsere Überlegungen einbeziehen: Analog zu Stallmans Verständnis von Freier Software wird derzeit unter dem Schlagwort #OER (Open Educational Ressources) der Versuch unternommen, diese Interpretation von Freiheit auf Lehr- und Lehrmaterialien anzuwenden. Auf Unterrichtsmaterialien, die ihren Nutzer*innen nicht (nur) kostenlos überlassen werden, sondern auch ohne rechtliche Bedenken weitergegeben, modifiziert oder weiterentwickelt werden können – freie Lehr- und Lernmaterialien eben.
In diesem Sinne wünschen wir ein erfolgreiches Semester und freuen uns über eine rege Teilnahme an unseren Workshops. Und die sind gratis. Versprochen!
Für das Team des Medienzentrums,
Christina Schwalbe und Sebastian Plönges
Hier geht’s zur Anmeldung zu den Workshops…