Seminare leben vor allem von Diskurs, Austausch und aktivem Miteinander – und schon in der Präsenzlehre ist es nicht immer einfach, das gesamte Semester hindurch eine rege Beteiligung innerhalb der Seminargruppe durchgängig aufrecht zu halten. Noch größer ist diese Herausforderung in einem digital basierten Seminar, wenn wir nicht, wie gewohnt, ein Gegenüber haben und miteinander in Interaktion treten können, wenn das Gegenüber nicht denselben Raum teilt. Wie kann also aktive Partizipation trotz Distanz aufgebaut werden? Mit dieser Frage werden wir in unserer Beratung zur Gestaltung digitaler Lehre häufig konfrontiert. Daher möchten wir Ihnen ein paar pragmatische Ideen vorstellen – gerne unterstützen wir Sie auch weiter in der konkreten Umsetzung!
1. Stellen Sie Verbindlichkeit her – bleiben Sie in Kontakt mit Ihren Studierenden
In der digitalen Lehre ist es wichtiger denn je, den Studierenden klar zu vermitteln, was die Zielsetzung Ihres Seminars ist und welche Erwartungen Sie haben – insbesondere, wenn die Lehrveranstaltung teilweise oder sogar vollständig asynchron organisiert ist.
Bieten Sie den Studierenden klare Strukturen und, trotz der fehlenden persönlichen Kontakte, ausreichend Möglichkeiten, Fragen zu klären. Fordern Sie von den Studierenden regelmäßig Rückmeldungen ein zum Lernstand, zu Problemen oder Schwierigkeiten etc. – bei Bedarf auch als (verpflichtenden) Teil einer Studienleistung. Eine Möglichkeit hierfür ist die Nutzung von ePortfolios, aber auch kurze Rückmeldungen im Chat, in einem eigens hierfür eingerichteten Forumschat o.ä. helfen dabei, mit Studierenden in Kontakt zu bleiben.
2. Machen Sie klare Vorgaben – am Besten schriftlich
Formulieren Sie klar Ihre Erwartungen und Vorstellungen an das Seminar im Vorfeld oder der Auftaktsitzung – idealerweise erstellen Sie einen detaillierten schriftlichen Seminarplan, der für jede Sitzung die inhaltlichen Ziele und das methodische Vorgehen beschreibt. Beschreiben Sie so genau wie möglich, wie sich die Studierenden am Seminar beteiligen sollen, z.B. in Form einer obligatorischen Anzahl von Forenbeiträgen, Reflexionsabgaben, Peer Review o.ä.
Hilfreich für die Studierenden ist es, wenn Sie über das Semester verteilt mehrere konkrete Abgabefristen für Beiträge vergeben und die Bearbeitungszeiträume für Aufgaben klar definieren. Dies sind wichtige Elemente, um Verbindlichkeiten einzuhalten, Persistenz zu wahren und den Workload angemessen über das Semester zu verteilen.
3. Nutzen Sie interaktive, partizipative Aufgaben- und Austauschformate
Hier finden Sie einige konkrete didaktische Vorschläge mit deren Hilfe Sie insbesondere in asynchronen Settings die Studierenden anregen können, sich aktiv am Seminargeschehen zu beteiligen:
- Fordern Sie einen regelmäßigen Austausch zu Materialien ein. In den meisten Plattformen lässt sich dies problemlos über das Diskussionsforum einrichten.
- Es kann hilfreich sein, wenn Sie einen Thread für reine Verständnisfragen einrichten sowie einen oder mehrere inhaltliche Threads. Lassen Sie die Studierenden zu den Texten immer Beiträge in beiden Threads erstellen, d.h. Verständnisfragen einbringen, Verständnisfragen von Kommiliton*innen beantworten sowie inhaltliche Diskussionsbeiträge erstellen.
- Formulieren Sie eine gewünschte Mindestanzahl an Beiträgen, die von Studierenden zu erbringen sind.
- Setzen Sie klare Abgabetermine, die Sie von Ihren Studierenden erwarten. Es empfehlen sich Wochenrhythmen.
- Geben sie die vertiefende Literatur an wechselnde Kleingruppen. Diese bereiten das Material für den Rest des Seminars so auf, dass die gesamte Seminargruppe auf demselben Kenntnisstand ist. Denkbar ist das Erstellen von Thesenpapieren, Exzerpten, vertonter Präsentationen oder kurzer Lehrvideos, in denen die wichtigsten Elemente der Lektüre für die Seminargruppe aufgearbeitet werden.
- Lassen Sie die Moderationsgruppe das Diskussionsforum vorbereiten und inhaltlich moderieren. Aufgabe der Moderationsgruppe ist es daher, neben der inhaltlichen Aufbereitung eines Themas auch Diskussionsfragen vorzubereiten und auf die Beiträge der Kommilion*innen zu reagieren. Formulieren Sie diese Erwartungen im Vorfeld klar und benennen Sie hier ggf. eine Anzahl an Mindestfragen und -beiträgen, die durch die Moderationsgruppe erstellt werden müssen.
- Fordern Sie die Studierenden dazu auf, zu den jeweiligen Videos Diskussions- und Verständnisfragen zu formulieren und sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen.
- Legen Sie die Anzahl der zu leistenden Beiträge fest und definieren Sie klare Bearbeitungs- und Abgabezeiten. Für das Verfassen von Beiträgen empfiehlt sich ein wöchentlicher Rhythmus.
- Lassen Sie die Studierenden die von anderen Studierenden verfassten Texte, bspw. Essays oder Portfolioarbeite, lesen und kommentieren.
- Geben Sie hierzu einen genauen Bearbeitungszeitraum vor.
- Fordern Sie eine Mindestanzahl von Kommentaren, Feedback oder Bewertungen ein, die jeweils zu erstellen sind.
- Verbinden Sie immer 2-3 Studierende, die sich als feste Peer-Review Gruppe verstehen. So stärken Sie ein Gefühl von Miteinander und regen den Austausch unter Studierenden an. Dieses Vorgehen ist ebenso vor der Abgabe von schriftlichen Arbeiten denkbar, um einen verbindlichen Korrekturlauf in die Bearbeitungszeit einzubauen.
- Referate lassen sich mit wenig Aufwand digital gestalten. Denkbar ist eine vertonte Präsentation oder die Erstellung von kurzen Lehrfilmen, in denen die wichtigsten Elemente des behandelten Themas vorgestellt werden.
- Anschließend können im Forum Inhalte vertieft, Feedback eingeholt und Verständnisfragen gestellt werden.
- Stellen Sie Verbindlichkeiten her, in dem Sie von jedem Studierenden mindestens je einen Beitrag zu vorher klar definierten Oberpunkten erwarten, z.B. methodisches Feedback, inhaltliches Feedback, offene Fragen, Anwendungsbezüge etc.
- Lassen Sie von Studierenden den Seminarverlauf dokumentieren, denkbar ist hier das Verfassen eines gemeinsam geführten Seminartagebuchs für die gesamte Seminargruppe.
- Machen Sie klare Vorgaben, was in dem Seminartagebuch dokumentiert werden soll, wie z.B. Seminarthemen, Diskussionsstränge, Streitgespräche, technische Schwierigkeiten, Fragen und Uneinigkeiten.
- Geben Sie ebenfalls klare formale Rahmenbedingungen vor.
- Die gemeinsame Arbeit an einem Dokument fördert die Verbindlichkeit der Aufgabe, da sie als Gemeinschaftsprodukt des Seminars zu verstehen ist. Verfahren Sie ähnlich wie bei Seminarprotokollen: vergeben Sie einzelne Themen, Bereiche, virtuelle Sitzungen etc. als konkrete Protokollaufgabe, die dann in einem gemeinsamen Dokument zu protokollieren sind.
Weiterführende Links
Ein detailliertes Konzept für diskursive digital basierte Lehre mit AGORA bzw. EduCommSy beschreibt Prof. Dr. Jan-Christoph Meister aus der Fakultät für Geisteswissenschaften in dieser Handreichung.
Prof. Dr. Gabi Reinmann, Leiterin des Hamburger Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) stellt im folgenden Kurzvortrag eine Heuristik sozialer Interaktion in digitalen Lehrangeboten vor, die ebenfalls hilfreich sein kann:
Haben Sie bereits praktische Erfahrungen gemacht, die Sie für gelungen halten und mit uns teilen möchten? Schreiben Sie uns gerne elb[dot]ew[at]uni-hamburg[dot]de