Mit, über, durch, trotz und ohne KI!

Editorial des Programmheftes für das Workshopprogramm des Medienzentrums im Sommersemester 23: 

Im Februar dieses Jahres hat die Universität Hamburg einen Orientierungsrahmen für die Nutzung von generativer KI (z.B. Sprachmodelle wie ChatGPT oder Bildgeneratoren wie Midjourney) veröffentlicht. Darin wird betont, dass Universitäten die Verantwortung haben, sich zum einen in der Forschung, aber insbesondere auch in Studium und Lehre intensiv mit KI und den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Entwicklungen auseinanderzusetzen. „Werden gKI-Systeme in Studium und Lehre eingesetzt“, so heißt es, „sind die Vorzüge und Potenziale dieser Technologien ebenso zu thematisieren wie ihre Risiken; sind Konsequenzen für die Kompetenzentwicklung der Studierenden (z.B. im wissenschaftlichen Schreiben oder kritischen Denken) stets zu reflektieren und gKI so zu nutzen, dass diese Kompetenzentwicklung gefördert wird; werden geeignete didaktische Wege entwickelt, die verhindern, dass durch den Einsatz von gKI-Systemen als wertvoll oder wichtig erachtete und/oder in den Qualifikationszielen definierte Kompetenzen verloren gehen oder gar nicht erst aufgebaut werden (Deskilling).“

Gerade aus einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive weisen diese Forderungen jedoch weit über die Verantwortung der universitären Bildung hinaus. Sie sind grundlegend relevant für eine Vielzahl außeruniversitärer Lern- und Bildungsprozesse, in Schule, in betrieblichen Fortbildungen, im Bereich der digitalen Grundbildung etc.. Alle Pädagog:innen, die sich mit kognitiven Lehr- und Lernprozessen befassen, müssen sich damit beschäftigen, wie der Einsatz von KI sinnvoll und verantwortungsvoll gestaltet werden kann.

Prof. Dr. Gabi Reinmann hat kürzlich in einem sehr lesenswerten Beitrag darauf verwiesen, dass technologische Entwicklungen schon immer dazu geführt haben, dass bestimmte Tätigkeiten von Maschinen übernommen wurden und in der Folge immer auch eine Veränderung von individuell und kollektiv nötigen Kompetenzen stattgefunden hat. Technologieentwicklung ist schon immer verbunden mit Deskilling, d.h. dem Verlust bestimmter Kompetenzen. Dar- über hinaus kann dies in Folge auch für die Gesellschaft zu einem Verlust von Kompetenzen führen, weil diese mangels Anwendungsmöglichkeiten nicht weiter entwickelt werden. Gleichzeitig setzt die Entlastung von Routinetätigkeiten Kapazitäten frei für komplexere Tätigkeiten, was wiederum zu Kompetenzsteigerungen und Fortschrittführen kann – dem Upskilling als positivem Gegenpart des Deskilling. Können wir nun also annehmen, dass sich diese Beobachtung auch für die Entwicklung von generativer KI so übertragen lässt? Dass die KI uns von Routineaufgaben entlastet und wir daher mehr Freiraum für kreative und herausfordernde Tätigkeiten haben? Gabi Reinmann warnt davor, diesen Zusammenhang allzu leichtfertig anzunehmen – und arbeitet heraus, an welchen Stellen wir bei der Gestaltung von Lernund Bildungsprozessen eingreifen können, um ein sowohl individuelle, aber auch kollektive Kompetenzverluste zu verhindern. Sie benennt u.a. externe Regelungen, wie z.B. das Verbieten der Nutzung bei Prüfungen. Viel wichtiger aber, gerade für die Erziehungswissenschaft, sind hier die pädagogischen Fragestellungen:

Lern- und Bildungsprozesse sollten so gestaltet werden, dass die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Eigenverantwortung unabhängig von KI gestärkt wird. Wir Menschen treffen die Entscheidungen – die KI unterstützt! Und um das zu können, müssen wir wissen, wie KI funktioniert. Wir müssen verstehen, wie KI und Algorithmen menschliche Entscheidungen (auch subtil) beeinflussen.

Wir müssen gemeinsam mit Lernenden darüber sprechen, welche Kompetenzen wichtig bleiben und vor allem auch, warum! Es bedarf eines gemeinsamen Aushandlungsprozesses über KI-unabhängige Basiskompetenzen.

Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine ist wichtig! Bei der Interaktion mit KI steht das voneinander Lernen im Fokus. Dabei können Ergebnisse entstehen, die über das hinausgehen, was Mensch oder Maschine jeweils alleine leisten könnten. Das allerdings ist nicht nur eine pädagogische Aufgabe, sondern muss auch bei der technischen Entwicklung von KI-Systemen berücksichtigt werden.

Aus einer schulischen Perspektive hat Joschka Falk eine Unterscheidung von fünf Dimensionen des Lernens im Kontext von KI vorgeschlagen, die hier direkt anschlussfähig ist: Lernen trotz KI, Lernen mit KI, Lernen über KI, Lernen durch KI und Lernen ohne KI.

Lernen mit KI fokussiert dabei z.B. die interaktive Arbeit mit KI, um das Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu verstehen und hier entsprechende Kompetenzen entwickeln zu können, als Folge kann hier ein Lernen durch KI entstehen. Lernen über KI ist eine notwendige Bedingung, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie KI funktioniert und wie sie uns beeinflusst. Nur so können wir bewusst mit KI umgehen und ihre Ergebnisse kritisch hinterfragen. Und ganz wichtig: Was müssen wir lernen trotz KI? Das muss als dauerhafte Fragestellung immer wieder neu diskutiert und ausgehandelt werden. Lern- und Bildungsprozesse im Zeitalter von KI erfordern eine reflektierte Auseinandersetzung mit den eigenen Lernprozessen und eine bewusste Entscheidung, auch dann zu lernen, wenn die KI die Aufgaben übernehmen könnte. Wir bieten Euch in unseren Workshops die Möglichkeit, Euch auch mit solchen und vielen anderen wichtigen Fragestellungen für das pädagogische Handeln in einer Kultur der Digitalität auseinanderzusetzen – mit oder ohne KI! Kommt vorbei, wir freuen uns!

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