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Inklusion & digitale Medien

Editorial des Workshophefts WiSe 2019/2020

Barrierefreiheit kann durch digitale Medien verbessert werden. Deshalb hat das Thema „Digitalisierung“ im Zusammenhang mit Barrierefreiheit auch in der Pädagogik an Bedeutung gewonnen. Vor allem angehende Lehrkräfte stehen vor der Frage, wie sie in ihrer beruflichen Zukunft mit vielfältigen Schüler*innengruppen umgehen können und dabei möglichst allen gerecht werden. Dabei birgt Vielfalt sowohl Chancen, aber auch Herausforderungen. Chancen, weil unterschiedliche Interessen, Wahrnehmungen und Potentiale der Schüler*innen sich gegenseitig bereichern können. Herausforderungen, weil unterschiedliche Bedürfnisse eine unterschiedliche pädagogische Berücksichtigung brauchen. Bevor eine Lehrkraft Vielfalt im Klassenraum sinnvoll und als Mehrwert in Lehrsituationen einbinden kann, ist es nötig, dass eine bewusste und reflektierte Wahrnehmung für eben jene entsteht und die Lehrkraft eigene Wissensbestände darüber aktualisiert: „Um zu sehen, muß man zuerst wissen, und dann kennen und einen gewissen Teil des Wissens vergessen. Man muß eine gerichtete Bereitschaft zum Sehen besitzen.“ (Fleck 1983 nach Thomann 2019, S. 1).

Beispiel: Lese-Rechtsschreib-Schwäche

In Deutschland sitzt(en) in jeder Klasse im Durchschnitt ein bis zwei Kind(er), das einen anderen Zugang zu Text und Schrift hat, also von sog. „Legasthenie“ betroffen ist. Über die Frage, wie viele SchülerInnen tatsächlich von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche betroffen sind, ist sich der wissenschaftliche Diskurs uneinig. Die PISA-Untersuchung des Jahres 2009 ergab, dass „das Kompetenzmaximum im Lesen bei 5% der Schülerschaft auf der niedrigsten Kompetenzstufe zu verorten ist (vgl. Wilckens 2018, S. 19). „Grimm geht von 4-12% (in Abhängigkeit von Definition und Schweregrad) aus und stellt fest: „Damit gehört die Legasthenie zu den häufigsten Störungen im Kindesalter“ (Grimm 2011 nach S. 20).“ (ebd. S. 20) Mehr als ein/e Schüler*in von 10 erreicht in der vierten Jahrgangsstufe die Mindeststandards im Bereich Rechtschreibkompetenz nicht (vgl. ebd.).  Das ist ein hoher Wert, dennoch ist Legasthenie und der Umgang mit ihr an vielen deutschen Hochschulen kein (verpflichtender) Bestandteil des Lehramtsstudiums.  Dabei weisen aktuelle Diskurse darauf hin, dass es Möglichkeiten gibt, Lehr- Lernsettings, -aufgaben und Unterrichtsmaterial so zu gestalten, dass Lese- und Rechtschreibschwächen (und andere Beeinträchtigungen) betroffenen Kindern den Zugang zum Lernen nicht erschweren oder ein passender Zugang zum Lernen Schwächen sogar mindern kann (vgl. Wilckens 2018, S. 90). Unter einer Schwäche im mathematischen Bereich, einer sog. Dyskalkulie, sind ebenfalls viele Schüler*innen betroffen, laut einer ländervergleichenden Erhebung von Kompetenzen von Schüler*innen ab dem 15. Lebensjahr im Jahr 2006 haben knapp 20% der Schüler*innen in Deutschland „mit dem Lösen von einfachsten Rechenaufgaben Probleme“ (statista 2008) – weitaus weniger haben jedoch eine diagnostizierte Dyskalkulie. Wie kann jedem Kind – egal ob leghasten, dyskalkulant o.a. – ein Zugang zu Lernmaterial, zum Unterrichtsgeschehen etc. ermöglicht bzw. erleichtert werden? Oder anders: Welche Möglichkeiten haben (angehende) Lehrkräfte, Unterrichts- sowie Klassenstrukturen von Anfang an möglichst zugänglich zu gestalten? Digitale Medien können dabei in Unterrichtsvor- und Nachbereitung, aber auch im Unterrichtsgeschehen helfen. Wie? Welche?

Dazu bietet das Medienzentrum Workshops für alle Studierenden der Fakultät für Erziehungswissenschaft an (alle anderen Fakultätsmitglieder sind ebenfalls herzlich eingeladen!). In Workshops wie „Accessibility Checker & Co.“, „Lehr- und Lernmaterialien scannen – und zwar so, dass alle Schüler*innen diese nutzen können!?“ besteht die Möglichkeit zu lernen, welche Lernmaterialien für welche Bedarfe geeignet sind und wie sie sich erstellen lassen. Workshops zu Software wie Vorlese-Apps und -Stiften bieten neue Eindrücke in die Erweiterung der auditiven Zugänglichkeit von Lernmaterial. Von der Erstellung barrierefreier Textdokumente, der Produktion von Erklärfilmen, dem gelingenden Visualisieren auf Flipcharts bis hin zu digitalen Werkzeugen für kollaboratives Arbeiten ist ein breites Spektrum an thematischen Schwerpunktsetzungen zur verbesserten Zugänglichkeit im Unterricht (bzw. in pädagogischen Settings allgemein) im Workshopprogramm des Medienzentrums zu finden. Reinschauen lohnt sich – denn die Verbesserung von Zugang und die Überwindung von Barrieren geht uns alle etwas an!

Literatur

Statista Research Department (statista online, O., Hrsg.). (2008). Anteil der Schüler in OECD mit einer Rechenschwäche. Zugriff am 18.09.2019. Verfügbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2106/umfrage/anteil-der-schueler-in-oecd-mit-einer-rechenschwaeche/

Thomann, C. (2018). Beziehungs-Inseln. Ein Instrument zur Analyse und Reflexion von Performanz im Unterricht. Diss. Zugriff am 20.09.2019. Verfügbar unter https://phka.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/120/file/B-I_HT_2018_Druck.pdf

Wilckens, S. (2018). Lese-Rechtschreib-Störung und Bildungsbiografie: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Tipp

Die Servicestelle InkluSoB (Inklusive Schule ohne Barrieren) gibt im Medienzentrum spannende Workshops im Bereich Barrierefreiheit, bietet darüber hinaus aber auch umfangreiche Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten hinsichtlich der barrierefreien Gestaltung von Lehr- und Lernsettings im Handlungsfeld Schule bzw. Hochschule an. Ansprechpartnerin: Dr. Marie-Luise Schütt, E-Mail: inklusob[dot]ew[at]uni-hamburg[dot]de

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