Klowände des Internet

Editorial des KVV Medien&Bildung für das Sommersemester 2006
Bei Einführung neuer Medien gibt es in der Regel eine Phase, in der diese zunächst wie die jeweils alten, bekannten Medien gedacht und benutzt werden. Das war nicht anders bei der Photographie, die zunächst mit der Malerei konkurrierte, oder dem Kino, das anfangs – den Gewohnheiten der Rezipienten, aber auch Produzenten entsprechend – als so etwas Ähnliches wie Theater wahrgenommen wurde (noch heute haben wir einen Vorhang vor der Kinoleinwand). Erst allmählich wird das Neue des jeweils neuen Mediums entdeckt, weil die Nutzung des neuen als altes Medium den einen oder anderen Stolperstein beinhalten kann.
Einen solchen Stolperstein hat kürzlich Jean-Remy von Matt, Gründer der Werbeagentur Jung von Matt, in die Welt gesetzt. ‚Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern‘?, fragte er zur Aufheiterung seiner Mitarbeiter in einer betriebsinternen Mail. Die Mitarbeiter im Hause Jung von Matt waren gerade etwas demotiviert, weil sich die halbe Blogosphere über ihre Kampagne ‚Du bist Deutschland‘ lustig gemacht hatte. Die interne Mail, die irgendwie durchsickerte und im www öffentlich wurde, schlug in der Blogosphere ein wie eine Bombe. Kein Wunder: Weblogs – so hatte von Matt dort behauptet – seien die ‚Klowände des Internets‘. Flugs wurde der Begriff ‚Klowände‘ zu einem der meistgesuchten Wörter im Blogverzeichnis www.technorati.com. Auch Google findet den Begriff zurzeit 104.000 mal.
Für die, die immer dachten, das Internet sei so etwas wie das versammelte ‚Wissen der Welt‘ oder ‚die weltgrößte Bibliothek‘, stellt sich nun die Frage, warum im Hauptkatalog dieser Bibliothek auch das recht prominent verzeichnet ist, was an den Wänden ihrer Sanitäreinrichtungen zu lesen ist. Kurz gesagt, liegt das daran, dass es in diesem Medium keinen Hausmeister gibt, der von Zeit zu Zeit mal die Klosprüche übertüncht.
Weitere Aufschlüsse zu Fragen von Social Software, web 2.0, Trackbacks und den Hausmeistern des Internet erwarten wir uns auch von der erstmalig stattfindenden Ringvorlesung ‚Medien & Bildung‘ – dienstags 18 – 20 Uhr, R 504 (VA-Nr. 61.064).
Fröhliches Sommersemester wünschen
Torsten Meyer & Timo Meisel

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