Medium Dry

Editorial des KVV Medien&Bildung für das Wintersemester 2001/2002.
Die Idee für das Titelbild des KVV ‚Medien & Bildung‘, Wintersemester 2001/02, geht zurück auf Hermann J. Kaiser, Professor am Institut für ästhetische Erziehung. Vom 27. – 29.6.1997 fand in der Zündholzfabrik in Lauenburg ein Symposion des DFG-Graduiertenkollegs ‚Ästhetische Bildung‘ der Universität Hamburg statt. Titel der Veranstaltung und thematische Fokussierung: ‚Medien im Prozeß der Bildung‘. Herr Kaiser, Mitglied des Graduiertenkollegs, dankte der Vorbereitungsgruppe mit einer Flasche Sherry…
Eine Pfeife, ein leerer Teller, eine Flasche – gefüllt mit Sherry.
Was ist hier ‚Medium‘, der Sherry oder die Flasche, das, wo der Sherry drin ist?
‚Bin ich da schon drin oder was‘?, fragte Boris Becker sich in einem AOL-Werbespot, der ein geflügeltes Wort geprägt hat für die – wie soll man sagen? – Teilhabe am Internet.
Er sitzt da vor einem Computer und glotzt ungläubig auf den Monitor. Er hat gerade (und offenbar erfolgreich) einen Internetzugang über AOL eingerichtet und kann es selbst noch nicht fassen.
AOL möchte uns damit sagen, dass es furchtbar einfach ist, über AOL ins Internet zu kommen. Es erfordert nicht mehr an ‚Medienkompetenz‘ als ein freizeitsurfender Tennisspieler durchschnittlich mitbringt.
Nimmt man ihn wörtlich, dann stellt sich die Frage: Wo drin ist er, wenn er meint, drin zu sein im Internet?
Wenn er drin ist im Internet, dann müßte ja das Internet ein Raum sein oder eine Schachtel oder ähnliches, jedenfalls etwas, wo etwas (oder jemand) drin sein kann: ein Behälter.
Es stellen sich weitere Fragen: Was ist das von diesem Behältnis behaltene oder beinhaltete? Was ist der In-Halt?
Das ist bei der Flasche ‚Medium Dry‘ relativ einfach: Der Sherry ist Inhalt der Flasche. Die Flasche beinhaltet Sherry. Das könnte auch anders sein: Das ‚Medium‘, die Flasche ließe sich mit anderen Inhalten füllen, Selters, Brause… und Sherry könnte anders beinhaltet werden, in Fässern etwa, oder Gläsern.
Kann aber Boris Becker drin sein im Internet? (Im Fernsehen war er schon mal, ich hab’s gesehen.) Kann er Inhalt des Internet sein?
Kann ein im Internet surfendes Subjekt vom Internet be-in-haltet werden? Würde es nicht – zumindest die grammatikalische Passivkonstruktion legt das nahe – zum Objekt werden?
In welchem logischen Verhältnis stehen Inhalt und Behältnis? Und, etymologisch nachgehakt, was eigentlich ist der Halt?
Das führt in medien-, wie bildungstheoretischen Tiefen… Einstweilen kurzgefasst: Es ist nicht überall ‚Medium‘ drin, wo ‚Medium‘ draufsteht.
Torsten Meyer

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