Schulen müssen digitaler werden – aber wie?

Editorial des Programmheftes für das Workshopprogramm des Medienzentrums im Wintersemester 2022/23: Sowohl aus politischer als auch aus wissenschaftlicher Richtung wird schon lange gefordert, die Digitalisierung des Bildungssystems voranzutreiben und digitale Kompetenzen bei der heranwachsenden Generation zu fördern. Die Pandemie hat nun noch einmal drastisch aufgezeigt, wie groß der Nachholbedarf in vielen Schulen ist – und zwar auf verschiedenen Ebenen.

Digitalisierung von Schulen heißt zunächst: digitale Ausstattung, digitale Infrastruktur, digitale Lehr- und Lernmaterialien

Mit Beginn des Lockdowns brachen in den Schulen an vielen Stellen die Kommunikationsprozesse zusammen. Lehrkräfte wussten nicht, wie sie mit den Schüler:innen in Kontakt bleiben konnten, nicht für alle Lehrkräfte standen geeignete digitale Arbeitsgeräte zur Verfügung; Arbeitsmaterialien gab es häufig nur auf Papier, Lehrkräfte warfen sie teilweise persönlich in die Briefkästen der Schüler:innen – aber auch für digitale Materialien wurde vielerorts auf WhatsApp oder Email zurückgegriffen, weil nur wenige Schulen über digitale Lernmanagementsysteme (LMS) verfügten.

An einigen Schulen mit guter digitaler Infrastruktur konnte jedoch schnell digitaler Remoteunterricht angeboten werden, z.B. über Videokonferenzen oder auch asynchron via LMS. Hier traten dann andere Probleme zutage, die sich nicht durch eine bessere digitale Ausstattung und die Digitalisierung von Arbeitsmaterialien lösen ließen: Die bekannten Methoden aus der analogen Welt funktionierten nicht gut, die Möglichkeiten digitaler Tools für die Zusammenarbeit konnten kaum genutzt werden. Ein Grund war bei vielen die nicht sehr ausgeprägte technische Digitalkompetenz. Aber es fehlt auch die Erfahrung im Umgang mit zeitgemäßen digitalen Tools und neuen Formen der Kollaboration und Kooperation bei den Lehrkräften. Bestehende Vorlagen und Unterrichtsentwürfe, die explizit digitale Tools und Methoden einbeziehen, wie sie z.B. vom digital.learning.lab1 angeboten werden, sind unter Lehrkräften wenig bekannt.

Neben der Digitalisierung muss ein Prozess digitaler Transformation angestoßen werden – Lehrkräfte müssen zeitgemäße didaktische Methoden kennen, Lerninhalte müssen angepasst werden, kurz: Eine Kultur der Digitalität muss an den Schulen Einzug halten

Es gab auch zahlreiche Lehrkräfte, die kreativ mit der plötzlich neuen Anforderung an digitalen Remoteunterricht umgegangen sind, z.B. durch den Einsatz von digitalen Pinnwänden, interaktiven Karten, Nutzung von Handykameras in Aufgabenstellungen, Einsatz von digitalen Tools für die gemeinsame Textarbeit und Bewertung und vor allem durch ein tentatives und exploratives Vorgehen bei der Nutzung von Lernmanagementsystemen für die Strukturierung und Begleitung von Unterricht. Flächendeckend war das jedoch nicht zu beobachten.

Was bedeutet das nun für die große Herausforderung, Schulen digitaler zu gestalten? Das große Ziel ist, wie eingangs schon angesprochen, Schüler:innen zur Teilhabe an einer digital geprägten Gesellschaft zu befähigen, die Digital Literacy umfassend zu fördern. Die Grundlage dafür sind digital gut ausgestattete Schulen, die auch ausreichend Ressourcen für den technischen Betrieb und die permanente technische Weiterentwicklung erhalten. An dieser Stelle soll der DigitalPakt Schule ansetzen.

Blick nach vorn: Wie können wir zur digitalen Transformation des Bildungssystems beitragen?

Ebenso relevant wie die Digitalisierung von Schulen ist die digitale Transformation des gesamten Bildungssystems. Organisatorische Prozesse müssen angepasst werden und vor allem muss der Unterricht sich verändern – inhaltlich und didaktisch. Nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft verändern sich in Zusammenhang mit der Digitalisierung fundamental; wir leben in einer „Kultur der Digitalität“2, die unsere kulturellen Praktiken, unsere Formen der Kommunikation, der Produktion von Wissen, Informationen und kulturellen Artefakten, der Kollaboration und Kooperation sowie auch die Formen der Bewertung, Entscheidungsfindung und Meinungsbildung prägt. Unsere Welt ist durchdrungen von Algorithmen und datengetriebenen Prozessen und sie verändert sich permanent aufgrund rasend schneller technologischer Entwicklungen.

Die Förderung von Digital und Data Literacy ist kein Add-on, sondern ein allem zugrunde liegendes Thema

Vor diesem Hintergrund muss die digitale Transformation des Bildungssystems im Kern darauf abzielen, Schüler:innen zu unterstützen, grundlegendende Strukturen einer Kultur der Digitalität zu verstehen, sich kompetent und reflektiert in dieser Welt zu bewegen und diese mitzugestalten. Sie müssen lernen, sich in heterogenen, sich permanent ändernden digitalen Welten zu orientieren und mit diversen digitalen Tools produktiv umzugehen. Sie müssen aktuelle, kulturelle Praktiken bereits in der Schule umfassend anwenden und reflektieren. Die Förderung von Digital und auch von Data Literacy ist kein Add-on für die schulische Bildung, sondern ein allem zugrunde liegendes Thema, das fächerübergreifend durchgängig mitbedacht werden muss.

Neben der bildungspolitischen Aufgabe der Curriculumsentwicklung sind auch Lehrkräfte gefordert, die digitale Transformation des Bildungssystems mitzugestalten – durch die alltägliche Integration aktueller kultureller Praktiken und digital basierter Formen der Kommunikation und Kooperation in den schulischen Unterricht, durch die Anwendung und kritische Reflektion der vielfältigen Aspekte der Digitalität in den jeweiligen Unterrichtsfächern, durch die Einbeziehung der Lebenswelt der Schüler:innen in die Gestaltung des Unterrichts.

Basis einer gelingenden digitalen Transformation ist auch eine zeitgemäße Lehramtsausbildung

Eine zeitgemäße Lehramtsausbildung fördert bereits im Studium die Auseinandersetzung mit Phänomenen einer Kultur der Digitalität – aus erziehungswissenschaftlicher Perpektive sowie aus Sicht der Unterrichtsfächer. Es geht also um eine Lehramtsausbildung, die durch eine zeitgemäße Gestaltung universitärer Lehre digitale Tools und aktuelle kulturelle Praktiken als selbstverständliche, integrale Bestandteile von Lehr- und Lernprozessen versteht und somit eine Vorbildfunktion für zeitgemäßes schulisches Lernen übernimmt.

Und in diesem Sinne viel Spaß bei der Entwicklung Eurer eigenen digitalen Kompetenzen in unseren kostenlosen Workshops!

Christina Schwalbe für das Team des
Medienzentrums

Übrigens:

An der Fakultät für Erziehungswissenschaft wird derzeit an einer Digitalisierungsstrategie für die Lehre gearbeitet, die sich der oben beschriebenen Verantwortung stellt: Das Studium soll sowohl durch entsprechende inhaltliche Angebote als auch hinsichtlich der Gestaltung der Lehre angehende Lehrkräfte dazu befähigen, sich aktiv gestaltend an der komplexen Aufgabe der digitalen Transformation von Schulen zu beteiligen und Schüler:innen bei der Entwicklung umfassender digitaler Kompetenzen zu begleiten. Ganz wichtig ist hier auch die Perspektive der Studierenden – also schreibt uns gerne eine Mail an digitalelehre[dot]ew[at]uni-hamburg[dot]de mit dem Betreff »Digitale Schule, digitales Studium«: Welche Inhalte sind für Euch wichtig, was fehlt aus Eurer Sicht an Angeboten im Studium? Welche Rolle sollen digitale Tools in der Lehre spielen? Was wünscht ihr Euch für Euer Studium konkret?

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