Was bedeutet eigentlich "Digitalisierung"?

MoniLisa
Da das eLearning-Büro als grundlegende Dienstleistung die Erstellung digitaler bzw. digitalisierter Medien anbietet, hier ein paar Worte zum “Digitalen”.
Die technische Digitalisierung bezeichnet zwei qualitativ unterschiedliche Vorgänge, die sich in etwa mit den Begriffen ‘Aufzeichnen’ und ‘Algorithmisieren’ bezeichnen lassen.
Erstens ist es die Erstellung eines passiven digitalen Formats – passiv in dem Sinne, dass die Interpretationsleistung später beim Betrachter liegt – in Form von digitalem Ton, Bild, Film oder Text durch z.B. eine Übertragung aus einem physischen Original. Dies ist die “klassische” Digitalisierung eines Inhalts, eines Objekts oder einer konkreten Verhaltensabfolge, wie sie bereits über früheren Medien wie Schrift, Photographie, Phonographie oder Cinematographie möglich wurde.
Zweitens kann Digitalisierung die Überführung eines potenziell möglichen – also noch unausgeführten – analogen Verhaltens in eine digital verarbeitbare Form, in einen Algorithmus oder ein Programm bedeuten. Es werden bei dieser zweiten Art der Digitalisierung also die Regeln der Entscheidungs- und Handlungsprozesse aufgezeichnet, die situationsabhängiges Verhalten erst produzieren.
Zwei Beipiele dazu: Das Verhalten eines menschlichen Prüfers läßt sich durch eine semantische Rasterung von möglichen Prüfungsantworten grob “digitalisieren”, d.h. maschinenausführbar aufzeichnen; Google ermittelt die Relevanz von Webseiten zu einem bestimmten Begriff anhand der Linkverweise von anderen, ihrerseits möglichst relevanten Webseiten darauf, ähnlich einem Studenten auf Literatursuche, der schaut, welche Werke zu einer Thematik von anderen wichtigen Werken am häufigsten zitiert werden.
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In beiden Fällen der Digitalisierung werden Informationen und Informationskontexte von ihrem materiellem Substrat, z.B. Leinwand oder Neuronen, entkoppelt und überführt in eine immaterielle, objektivierte Form mathematisch ausdrückbarer Werte, die auf den ersten Blick gegenüber ‘klassischen’ Medien eine Anzahl von Vorteilen aufweist: Das Digitalisat ist erstens kostengünstig absolut identisch reproduzierbar, archivierbar und distributierbar; es ist zweitens vollständig und endlich beschreibbar und damit ebenso manipulierbar; und es kann schließlich drittens zur Ordnung oder Vermittlung auf sich selbst angewendet werden.
„e“-Medien beruhen somit auf einem besonderen Prinzip der Handhabung von Information. Es geht beim eLearning nicht – oder zumindest nicht nur – um das bessere Steuern und Verteilen von Informationen. Hauptaufgabe, techno-ästhetisches Problem als auch ein gravierender Kritikpunkt am Digitalen ist die Übersetzung – sprich: Rasterung – von realen Strukturen und Operationen sowie das anschließende möglichst reibungsfreie Verschalten mit dem analog gebliebenen Nutzer und Lerner. Um mit Friedrich Kittler zu sprechen: Das Digitale hilft uns nicht dabei, externe Daten zu bearbeiten, sondern verändert vielmehr unseren Begriff von Daten. Im “e”-Bereich stehen sich in der Praxis einerseits eine individuell ausgebildete, auf Ähnlichkeiten basierende Ordnung und andererseits der Wunsch nach einem idealen, allerdings auf datentechnischer Identität aufbauenden Medium gegenüber.
Das allgegenwärtige „e“ ist damit nicht besonders treffend gewählt, denn bei „e“-Medien geht es so wenig um Elektronik und Elektrizität, wie es beim Wechsel von einer Kultur der oralen Überlieferung zu einer Schriftkultur um die Einführung von Papier und Tinte geht.Weitere Quellen:

  • Kittler, Friedrich A.: Farben und/oder Maschinen denken. In Eckhard Hammel (Hrsg.): Synthetische Welten. Kunst, Kuenstlichkeit und Kommunikationsmedien. Verlag Die Blaue Eule, Essen 1996, S.119-S.132 (Link zum Text)
  • Weizenbaum, Joseph: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1978
  • Tan, Wey-Han: eLearning als utopische Praxis? Vortragsmanuskript zur Tagung Walden #3 – oder Das Kind als Medium, Dresden 2007 (Link zum Text)
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