Jenseits von Hypertext und YouTube

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Ein bekanntes Suchmaschinenunternehmen hat neben zahlreichen Online-Diensten einen neuartigen Webbrowser entwickelt und stellt ihn nun der Öffentlichkeit vor. Das ist voraussehbar gewesen. Was ungewöhnlich ist, ist die Art der Vorstellung. Es gibt zwar Beschreibungen und Screencapture-Videos bekannter Art, aber auch eine Präsentation von technischen Konzepten als Geschichte hinter den Features in Comic-Form.
Prinzipiell haben wir im Comic ein Medium, das durch seine Linearität, Bildgebundenheit und umständliche (re)Konfigurierbarkeit eher traditioneller Art ist – hier ist eher ein eingeschränkter Gutenberg am Werk, kein Turing.
Der Comic ist eine Chimäre: Ruhig und linear wie ein Text, ganzheitlich, mit Raum und Gegenstand, Auslassung und Andeutung spielend wie ein Bild. Dieser Comic ist zwar auf Information ausgelegt, aber gerade hier wird die Wichtigkeit der Leere und der Assoziation für die tatsächliche Ver-Mittlung betont und wieder spürbar. Der Blick des Rezipienten wird dabei weder über einen schnurgeraden Buchstabenpfad diszipliniert, noch wird ihm der Realzeit-Rythmus eines Videos vorgegeben oder die Fülle eines Photos zugemutet. Er darf Schweifen – eine andere kognitive Bewegung als das bekannte Browsen oder Spulen bei anderen Medien.
Scott McCloud, Chrome
Abbildung aus dem Info-Comic „Chrome“: freie Abfolge der Betrachtung
Dass das Suchmaschinenunternehmen einen der einflußreichsten Theoretiker und Praktiker im Bereich ‚Comic als Medium‘, Scott McCloud („Understanding Comics“), für ihre Softwarepräsentation gewinnen konnte, sorgt für eine hohe Qualität in der Umsetzung.
Es ist auf jeden Fall spannend – nicht nur im McLuhan’schen Sinne – , die unterschiedliche Wirkungsweise von Text, Video, Screencapture und Comic zum selben Thema nebeneinander zu stellen.

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